ZEV Bremen

Haltung der ZEV zur aktuellen Situation in der Kindertagesbetreuung unter Pandemiebedingungen

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Aus aktuellem Anlass möchten wir unsere bereits veröffentlichten Haltungen aus dem vergangenen Jahr mit dieser Haltung ergänzen. Wir sehen insbesondere die auftretenden Mutationen im Hinblick auf die Risikobeurteilung der aktuellen Situation weiter verschärfend an. Es ist festzustellen, dass manche Fachleute weiterhin davon ausgehen, dass das Infektionsgeschehen auch unter Beachtung der Mutationen bei unter 10-jährigen Kindern unauffällig sei, gleichwohl es insbesondere zu den Mutationen auch anderslautende Einschätzungen zu dieser Frage gibt – wir sind keine Fachleute und können uns an dieser Stelle nur auf die Aussagen der Fachleute verlassen. Anfang Februar hat der Senat auf das Auftreten der ersten Mutationen mit dem Beschluss des Übergangs in die Stufe Notbetreuung reagiert. Am 16. Januar wurde wiederum vom Senat beschlossen, dass ab Anfang März Reaktionsstufe 1 gelten solle, also ein Betreuungsangebot für alle Kinder in Ganzgruppen unter Berücksichtigung einer Kohortengröße von maximal 40 Kindern. Die Maßnahme wird mit Testungen der Erzieher*Innen sowie dem verpflichtenden Tragen eines Mund-Nase-Schutzes (MNS) flankiert; wobei die Auswirkungen des Tragens eines MNS aus Sicht der ZEV sorgfältig beobachtet werden muss und die Verpflichtung gegebenenfalls eine unnötige Regelungsmaßnahme ist. Auch zuvor bestand die Kostenübernahmegarantie der Behörde sowie die Empfehlung zum Tragen. Die ZEV hat im Januar eine Elternumfrage zur aktuellen Situation gemacht – die Umfrageergebnisse sowie direkte Rückmeldungen zeigen, dass es weiterhin teils große Meinungsunterschiede unter Eltern gibt, wie die Kindertagesbetreuung aktuell am besten aufzustellen sei. Diese reichen von Vorbehalten gegen die Öffnung der Kitas bis zu der Forderung einer schnelleren Rückkehr zu einer Regelbetreuung in den Kitas. Für viele Eltern sind die Betreuungsumfänge essentiell wichtig, da ihre Berufstätigkeit oder ihre sonstigen Tätigkeiten auf eine vollumfängliche Betreuung abgestimmt sind, vielleicht sogar ihre Existenz durch eine Einschränkung bedroht wäre. Politisch wurde Anfang Januar mit der Möglichkeit Kinderkrankentage zur Betreuung zu nutzen und mit der Verabredung des Rechtes auf Homeoffice, wo immer möglich, für einige Eltern eine Möglichkeit geschaffen, teilweise unter Einnahmeeinbußen selbstbestimmt Freiräume zur Betreuung zu schaffen. Einem freien Elternwillen konnten diese Maßnahmen dennoch an vielen Stellen nicht gerecht werden und führten an vielen Stellen zu Konflikten im Innen- und Außenverhältnis (mit Arbeitgebern, Lebenspartnern etc.). Die Meinungsunterschiede über den richtigen Weg zeigen sich auch im schulischen Bereich (insbesondere Grundschule) und auch gesellschaftlich und sind für uns als Elternvertretung nicht aufzulösen. Was wir tun ist, dass wir ausdrücklich auf die unterschiedlichen Meinungen hinweisen, dass wir die Bedenken und Wünsche auch gegenüber der Behörde darlegen und argumentieren und somit versuchen alle an uns herangetragenen Meinungen bestmöglich zu vertreten.

Der Reaktionsstufenplan in der jetzigen Form und Auswirkungen der Notbetreuungsstufe

Derzeit definiert der Reaktionsstufenplan in Bremen vier Stufen. In der Kindertagesbetreuung unter Pandemiebedingungen (1) ist ein Betreuungsangebot für alle Kinder entsprechend der individuellen vertraglichen Vereinbarung vorgesehen und die Kohorten dürfen maximal 60 Kinder umfassen. Im eingeschränkten Regelbetrieb Stufe 1 (2) ist ein Betreuungsangebot für alle Kinder von wenigstens 20 Wochenstunden vorgesehen und es dürfen nur zwei Kindergruppen zusammenarbeiten. Im eingeschränkten Regelbetrieb Stufe 2 (3) ist ein Betreuungsangebot für alle Kinder von wenigstens 20 Wochenstunden vorgesehen und die Gruppen müssen getrennt betreut werden. In der Notbetreuung darf die Gruppengröße nur 10 Kinder (mit Platz-Sharing 12 Kinder) umfassen und die Gruppen müssen getrennt betreut werden. Zusammenfassend sind in der Notbetreuungsstufe sowohl die Anzahl der von Einschränkungen betroffenen Kindern/Eltern, als auch der Infektionsschutz der betreuten Kinder und der Fachkräfte am größten. Bei der Platzvergabe wurden im Februar neben Härtefällen und Kindern, deren Wohl ansonsten gefährdet wäre, Kinder von berufstätigen Eltern bevorzugt berücksichtigt, die nicht im Homeoffice arbeiten können. In der Notbetreuungsstufe können somit folglich eine Vielzahl Kinder nicht in den Kitas betreut werden bzw. haben keinen Anspruch. Dies folgte im Februar auf eine Zeit, in der die Eltern aufgerufen waren, ihre Kinder möglichst zu Hause zu betreuen, so dass viele Kinder in der Konsequenz seit nunmehr bis zu sechs Wochen nicht in einer Kita betreut wurden.

Vor- und Nachteile einer Reduktion der Kohortengrößen bzw. der Gruppengrößen

Eine Verkleinerung von Kohorten führt aufgrund der großen Komplexität der Stundenverteilung der Fachkräfte in vielen Einrichtungen direkt auch zu einer Einschränkung der Betreuungsumfänge. Dies ist insbesondere für die Randzeitenbetreuungen festzustellen. Eine Reduktion der Gruppengröße führt rechnerisch unweigerlich zu einer reduzierten Anzahl Kinder, denen ein Betreuungsangebot gemacht werden kann. Dennoch haben sowohl die Reduktion der Kohortengröße, als auch die Reduktion der Gruppengröße Effekte mit Blick auf die Pandemiebekämpfung, da eine Weitergabe des Virus durch einen möglichst kleinen Kontaktkreis gehemmt wird – dies ist ja auch Ziel der anderen Lockdown-Maßnahmen. Als weiterer Aspekt ist festzustellen, dass große Kohorten bei Vorliegen eines positiven Falls auch direkt zu einem größeren Quarantänepersonenkreis führen. In Bezug auf eine Verkleinerung der Gruppengröße ist festzustellen, dass insbesondere die Einhaltung der bekannten Regeln zur Infektionsvermeidung (Hygiene und Lüften) besser umzusetzen ist. Von weiteren Vorteilen kleinerer Gruppen wurde uns von Erzieher*innen und Eltern berichtet: die Arbeit mit der kleineren Gruppe sehr angenehm, da die Kinder besser gesehen werden, gezielte Förderung möglich ist und die Erzieher*innen im Allgemeinen durch die kleinere Gruppengröße Entlastungen erführen.

Forderung nach Betreuungsangeboten für alle Kinder und kleinen Gruppengrößen

Nach unserer Auffassung muss der aktuelle Reaktionsstufenplan ergänzt werden. Die Stufe der Notbetreuung ist derart auszulegen, dass sie den tatsächlich geringstmöglichen Anteil Kinder in den Einrichtungen zulässt und für ein extremes Infektionsgeschehen angewendet wird. Für mildere Infektionsgeschehen, bei denen dennoch ein möglichst großer Infektionsschutz gewährleistet werden muss, muss eine Lösung gefunden werden, dennoch möglichst allen Kindern ein Betreuungsangebot machen zu können. Wir fordern die Implementierung einer weiteren Stufe (oder ergänzend zur Notbetreuung), die sich am schulischen Wechselmodell in Halbgruppen orientiert. Im Kita-Bereich ist das Einhalten von Abstandsregeln wohl auch bei kleineren Gruppengrößen häufig nicht möglich, aber zumindest die Einhaltung der Hygiene- und Lüftungsanforderungen kann besser umgesetzt werden. Da die Voraussetzungen in den Einrichtungen teilweise sehr unterschiedlich sind, scheint eine flexible Handhabung sinnvoll, statt pauschalierte Umsetzungsmaßnahmen vorzugeben. Entsprechend könnte durch den Einsatz jeweils einer Fachkraft je Halbgruppe allen Kindern ein Betreuungsangebot gemacht werden. Die Halbgruppen könnten tageweise- oder wochenweise wechselnd betreut oder zu unterschiedlichen Tageszeiten betreut werden; ggf. wären zusätzliche Räume für die Kinderbetreuung umzuwidmen. Dies könnte überall dort umgesetzt werden, wo mehr als eine Fachkraft einer Gruppe zugeordnet ist. Für Gegebenheiten, bei denen einer Gruppe nur eine Fachkraft zugeordnet ist, müsste geprüft werden, ob bspw. auch vor dem Hintergrund des Tragens eines Mund-Nase-Schutz die Betreuung von zwei unterschiedlichen Halbgruppen durch ein und dieselbe Fachkraft zulässig wäre (so wie in den Schulen im Wechselunterricht auch). Nach unserer Auffassung wäre der Vorteil der besseren Einhaltung der Hygiene- und Lüftungsregeln auch bei einer zeitlich gestaffelten Betreuung von zwei unterschiedlichen Halbgruppen durch eine Fachkraft gegeben. Darüber hinaus halten wir den Einsatz von gruppenspezifischen Entlastungskräften für zielführend. Durch die Betreuung in Halbgruppen würden die Betreuungsumfänge ggf. teilweise deutlich eingeschränkt sein. Es gilt zu prüfen, wie man die Bedarfe vollumfänglich berufstätiger Eltern bestmöglich integrieren könnte. Hier könnte bspw. die Etablierung einer „Vollzeitgruppe“ je Einrichtung eine Lösung sein. Wir fordern, dass die Politik hierfür die Rahmenbedingungen schafft und dass Träger und Einrichtungen kreativ und lösungsorientiert einrichtungsscharf optimale Betreuungsangebote schaffen. Letztlich ist die stufenspezifische Aufführung der jeweils möglichen Eltern- und Familienentlastungen in den Reaktionsstufenplan wünschenswert. Selbstverständlich gilt weiterhin, dass auch im Privaten eine Durchgängigkeit der vormittäglichen Maßnahmen zur Kontakteinschränkung beachtet werden muss.

Novellierung des Ampelsystems

Um die neue Stufe bestmöglich zu flankieren fordern wir zudem eine Anpassung des Ampelsystems. In der S3 Richtlinie wird von den ausschlaggebenden Stufen geringes, mäßiges und starkes Infektionsgeschehen gesprochen. Diese Stufen müssen eindeutig definiert und im Ampelsystem umgesetzt werden. Die bisherige Konzentration auf das Infektionsgeschehen in einer Einrichtung muss um eine Beachtung des umgebenden Infektionsgeschehens sowie einer prognostizierten Entwicklung ergänzt werden.

Appell an Solidarität

Was wir Eltern alle selbst in der Hand haben, sind unser Handeln und unsere Haltung. Es ist nach unserer Auffassung gut, wenn Bedenken ausgesprochen und diskutiert werden. Uns allen liegt das Wohl unserer Kinder am Herzen und auch das Wohl der Beschäftigten in den Einrichtungen, der Menschen die es sich zur Aufgabe gemacht haben, sich fürsorglich und liebevoll in ihrem Beruf um Kinder zu kümmern. Unter eigenverantwortlichem Handeln verstehen wir ein eher abwartendes Handeln, was bedeutet, dass das Kind bei Erkältungssymptomen oder wenn es einen Verdachtsfall im näheren Umkreis gibt, eher mal zu Hause behalten wird, bis eine Klärung vorliegt. Für alle gilt, dass wir solidarisch mit dem gegenseitigen Gesundheitsschutz und dem knappen Gut der Kita-Betreuungsumfänge umgehen sollten. Wenn alle ihre Minimalbetreuungsbedarfe anmelden, ergeben sich an anderen Stellen Möglichkeiten zur Betreuung weiterer Kinder. Auch die Gesellschaft und die Politik müssen nach unserer Auffassung eine größtmögliche Solidarität mit uns Eltern walten lassen: es sind herausfordernde Zeiten – sowohl Dauer als auch die diversen Sorgen, die die Pandemie mit sich bringt und nicht zuletzt die unstete systemische Verlässlichkeit ist zermürbend. Wir kämpfen dafür, dass wir Eltern gesehen und gehört werden und dass den Kindern eine größtmögliche, vertretbare Kita-Betreuung in den verschiedenen Pandemiesituationen ermöglicht wird.

Vielleicht helfen unsere hier dargelegten Ausführungen dabei, Diskussionsansätze zu finden und kreative Lösungen zu erdenken! Wir würden uns ehrlich freuen, wenn wir die unteren Stufen des Reaktionsstufenplans nicht mehr benötigen aber, wenn doch, so halten wir es für unbedingt erforderlich, dann auf Vorgedachtes und Vorbereitetes zurückgreifen zu können. Wir wünschen uns verlässliche, transparente und auch länger passende Lösungen für alle.