ZEV Bremen

Stellungnahme der Zentralelternvertretung (ZEV Bremen) zu den fehlenden Plätzen und spontanen Ausbauzielen der Senatorin für Kinder und Bildung

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Einem Pressebericht vom 25.05.2022 ist zu entnehmen, dass ein Platzmangel in Höhe von 2.500 bis 3.000 Plätzen erkannt wurde. Dies ist einer der höchsten Fehlwerte im Vergleich zu den Vorjahren und offenbart die von der ZEV Bremen bereits mehrfach in Frage gestellte und seit Jahren nicht passende Planungsgrundlage zum bedarfsorientierten Ausbau von Kita-Plätzen. Der Platzmangel betrifft direkt all diejenigen Eltern und Kinder, die sich einen Platz wünschen und für die ab dem ersten Lebensjahr des Kindes ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gilt. Senatorin Aulepp gibt an, die Ausbauziele an den Bedarfen der Kinder orientieren zu wollen. Unbestritten dient eine gute Kita-Zeit einem guten und gesunden Aufwachsen der Kinder und ist neben der Erwerbsmöglichkeit der Eltern, welche durch die Kita-Betreuung ermöglicht wird, wichtig für die kindliche Entwicklung. Eine gute Kita-Zeit, eine qualitativ hochwertige Betreuung in einer Kita, eine tatsächlich bedarfsorientierte, am Kind orientierte Betreuung und das ist um Längen mehr, als ein reines „zur Verfügung stellen“ eines Kita-Platzes.

Einem kurzfristigen Ausbau der fehlenden Plätze steht bekanntermaßen der bestehende Fachkräftemangel entgegen. Die Zahl der gelernten Fachkräfte, welche ihrem Beruf den Rücken kehren und anderweitig ihre Brötchen verdienen, ist hoch. Die Ausbildungsbemühungen von PiA bis zur bezahlten Ausbildung gehen sicher in die richtige Richtung und können den durch Abwanderung entstehenden Bedarf möglicherweise annähernd decken, aber nicht die Zusatzbedarfe für den Platzausbau und die Gesamtbedarfe des Systems stillen. Dieser Fachkräftemangel führt dazu, dass neue Gruppen nicht eröffnet werden können, da kein Erzieher und keine Erzieherin gefunden werden kann, er führt dazu, dass Betreuungsverträge nicht eingehalten werden, dass Betreuungszeiten zwischen Kindern und ihren Eltern geteilt werden müssen, dass die Betreuung in vielen Einrichtungen nicht zuverlässig ist, sondern vielmehr normalerweise übliche Ereignisse, wie ein Krankheitsfall, direkt eklatante Auswirkungen haben und Kinder und Eltern immer wieder von Betreuungsausfällen betroffen sind. Und in diesem System arbeiten Menschen, die Fachkräfte, die Erzieherinnen und Erzieher in den Gruppen, die, ebenso wie die Kinder und Eltern, bereits durch Corona eine durchaus herausfordernde Zeit bewältigen mussten. Rechtlich ist es möglich eine Kindergartengruppe mit 20 Kindern durch einzig und allein eine Fachkraft zu betreuen – dabei ist zu beachten, dass zum Start des Kindergartenjahres häufig sogar noch Wickelkinder unter den Schutzbefohlenen sind, da die Kinder, die im dritten und vierten Quartal des Jahres drei Jahre alt werden, bereits in den Kindergarten kommen, um die Platzsituation für die unterdreijährigen Kinder zu entspannen. Dieser Betreuungsschlüssel kann nur die Minimalgröße zur kurzfristigen Aufrechthaltung einer Unterbringung der Kinder sein. Es liegt auf der Hand, dass derart keine zuverlässige und qualitativ hochwertige Betreuung zu gewährleisten ist oder es ist zumindest einer horrenden Anstrengung der Fachkraft zu verdanken ist, wenn es doch geht. Kurzum – der Platzmangel trifft auf ein an vielen Stellen bereits vollkommen geschröpftes System.

Senatorin Aulepp formuliert die Ideen, die fehlenden Plätze durch den Einsatz ungelernter Fachkräfte, eine Vergrößerung der Gruppengröße, niederschwellige Angebote sowie zusätzliche Betreuungsplätze in der Kindertagespflege zu eliminieren. Wir halten die Anstrengungen zum Ausbau der Kindertagespflege für wichtig und richtig, natürlich müssen dabei die neuen Plätze, Tagesmütter und Tagesväter die bisherigen Qualitätsstandards weiter einhalten. Auch die Schaffung von niederschwelligen Angeboten kann eine gute Ergänzung sein, um kurzfristig mehr Kindern einen Platz anbieten zu können. Mittelfristig sollten die Kinder aber einen vollwertigen Platz erhalten. Beim Einsatz ungelernter Fachkräfte möchten wir empfehlen, dass hierfür ein strukturiertes Programm zu ihrer Vorbereitung in der Kita geben muss, welches nicht in der Kita stattfinden kann – dies würde das beschriebene, geschröpfte System bzw. die Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas zusätzlich belasten und damit sicher vielerorts überlasten. Zudem müssen die Aufgaben und Möglichkeiten der ungelernten Fachkräfte eindeutig beschrieben sein und dürfen ausschließlich zur Unterstützung der gelernten Fachkräfte dienen, deren Arbeit aber weder ersetzen, behindern oder ähnliches. Auch ein Anrechnen auf den Fachkraft-Kind-Schlüssel darf nicht erfolgen. Oberste Priorität muss die gute und kindorientierte frühkindliche Bildung und Betreuung haben und das geht nur im Zusammenspiel mit einer Fachkräftesicherung durch eine inhaltliche Aufwertung des Berufes und weitere Ausbildungsanstrengungen. Im Sinne der Fachkräftesicherung und Berufsaufwertung kann eine Erhöhung der Gruppengröße aus unserer Sicht nicht pauschal erfolgen, sondern muss vielmehr auf die Möglichkeiten vor Ort Rücksicht nehmen und kann dann punktuell eine Möglichkeit zur Schaffung weiterer Plätze sein. Da, wo die personelle Ausstattung, die räumlichen Gegebenheiten und die Bereitschaft der Fachkräfte es zulassen, kann ein einundzwanzigstes Kind in einer Gruppe eine gute Gelegenheit zur Schaffung eines weiteren Kita-Platzes für ein sonst leer ausgehendes Kind und seine Familie sein.

Wir fordern die Verantwortlichen im System der Kindertagesbetreuung auf, bei den Anstrengungen zum Platzausbau keine weiteren Belastungen für das System zuzulassen, sondern die Anforderungen zur Verbesserung der aktuellen Zustände zu beachten. Außerdem muss endlich eine zuverlässige Basis für die Berechnung der Bedarfe gefunden werden, um nicht jedes Jahr aufs Neue festzustellen, dass die Bedarfe die Angebote übersteigen und das System dadurch ins Straucheln kommt und Kompromisse gefunden werden müssen oder Kinder ohne Platz zurückbleiben.

Wir wünschen uns einen Fahrplan, welcher parteiübergreifend verabschiedet wird und legislaturunabhängig das Ziel einer guten frühkindlichen Bildung und Betreuung für alle Bremer Kinder in den Vordergrund stellt und die nötigen Schritte und Maßnahmen beschreibt, die dann verlässlich umgesetzt werden. Nur so und unter transparenter Einbeziehung aller Beteiligten, kann eine zielorientierte Lösung gefunden werden, die nicht auf einem Totalkollaps des Systems aufbauen muss, sondern aus dem teilkollabierten System erwachsen kann.